Heilpflanzen in der Vergangenheit
Von den Anfängen bis heute- ein grober Überblick

Der Gebrauch der Pflanzen als Medizin lässt sich so weit zurück datieren wie der Ursprung der Menschheit und möglicherweise noch weiter. So ist bekannt, dass auch Tiere, um bestimmte Wirkungen zu erzielen, Pflanzen als Hilfsmittel nutzen. Hunde zum Beispiel nehmen bei Verdauungsstörungen intuitiv bestimmte Pflanzen zu sich, die sie ansonsten nicht anrühren. Rotwild wälzt sich bei offenen Wunden auf bestimmten Kräutern und Vögel polstern ihr Nest mit aromatischen Pflanzen, um ihre Küken gesünder aufwachsen zu sehen.

Ende der achtziger Jahre machte ein Wissenschaftler eine interessante Beobachtung bei Schimpansen. Eine der Schimpansinnen verhielt sich auffällig, schien geschwächt und ignorierte Ihr Junges, offensichtlich aufgrund von Verdauungsstörungen. Der Wissenschaftler konnte beobachten wie dieses Tier eine als giftig bekannte, ansonsten von Tieren gemiedene Pflanze zu sich nahm. Die Schimpansin brach Zweige ab, schälte diese und kam so an das Mark dieser Pflanze. Dieses, und nur das Mark dieser Pflanze, so stelle sich später heraus, enthält Wirkstoffe, die z.B.

Parasiten abtöten, von denen Lebewesen mit Malaria angesteckt werden. Die Schimpansin hatte sich exakt das richtige "Mittel" zur Heilung der Verdauungsstörungen verabreicht. Bei solchen und ähnlichen Beobachtungen handelt es sich nicht um Einzelfälle.

So hat auch der Mensch von Anbeginn an von der Heilkraft der Pflanzen profitiert und es überrascht nicht, dass in vielen Kulturen die Ansicht verbreitet war, Pflanzen besäßen eine Seele. Wir können davon ausgehen, dass Pflanzen über Jahrtausende hinweg aufgrund Ihrer Heilwirkung und auch aufgrund Ihrer "magischen" Fähigkeiten oder Zauberkräfte verwendet und bewundert wurden. Als Beispiel sei der indische Madjobaum (shivadruma /Baum Shivas) unter dem Shiva, der Gott der Gesundheit gelebt haben soll.

Einen der ersten Belege fand man in einer 60000 Jahre alten Grabstätte im Irak (bei Shamidir). Dort hatten Forscher durch Blütenstaubanalysen nachgewiesen, dass dort acht verschiedene Pflanzen vorhanden waren. Unter anderem hat man dort Schafgarbe und Eibisch als Grabbeigabe nachweisen können. Offensichtlich hat man diesen Pflanzen also einen bestimmten Nutzen zugeschrieben.

Die Medizin der Schamanen
Bei vielen der heute noch existierenden Naturvölker ist und waren die Schamanen für die Heilung von physischen und psychischen Krankheiten zuständig. Zeichen für Schamanismus finden sich sowohl in steinzeitlichen Höhlenmalereien, in den Naturen von Orion als auch in den entferntesten Regionen der Welt, in Sibirien, Nord- & Südamerika, Australien u.a.. Die Schamanen bedienen sich übernatürlicher Mittel wie Magie oder natürlicher Mittel wie Heilpflanzen, versorgen also Wunden mit Salben und Kompressen, stellen Pflanzen- und Rindenabkochungen für eine innere Anwendung her, lassen die Patienten bei Fieber schwitzen usw.. Einige Schamanen nutzen halluzinogene Pflanzen oder Pilze um mit Wesen der "spirituellen Welt" in Verbindung treten zu können. Als Spezialist für die menschliche Seele treten sie auf als Mittler zwischen Göttern und Geistern.

Im Altertum hat sich in Europa die sogenannte Signaturenlehre entwickelt, nach der man bei Krankheiten die Pflanzen auswählt, die dem Aussehen, dem Geruch oder des Geschmackes nach mit dem erkrankten Organ in Verbindung gebracht werden konnte. Im Mittelalter war diese Art der Heilkunde bereits weit verbreitet. So nutzte man z.B. die Walnuss - wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem menschlichen Hirn - als Heilmittel bei Kopfschmerzen. Inzwischen weiss man, dass die Walnuss tatsächlich die für das Gehirn wertvollen Fettsäuren enthält.

Erste Aufzeichnungen
Erste Aufzeichnungen über Kenntnisse und Anwendung von Heilpflanzen sind uns zum Beispiel von den frühen Hochkulturen bekannt.
So wurden zum Beispiel wurden in der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal, der um 2500 v. Chr. gelebt haben muss über 250 Heilpflanzen aufgeführt.

Ägypten
Informationen über medizinische Pflanzen wurden auch im alten Ägypten auf Papyrus festgehalten. Zwei solcher Schriften sind der Papyrus von Smith und Ebers, geschrieben 1600 v. Chr.. Sie enthalten 700 oder mehr Heilmittel, 800 Rezepte für Abkochungen, Pillen und Lotionen. Unter anderem finden sich dort Informationen zur Behandlung von grauem Star, Rheuma oder Infektionskrankheiten.
Die Ägypter verehrten diese Pflanzen nicht nur aufgrund ihrer Heilkraft im Leben sondern auch für Ihren Nutzen auf der Reise in das Jenseits. Viele dieser Pflanzen wurden in Grabstätten zusammen mit den Toten gefunden. Um 1490 v. Chr. ließ die ägyptische Königin Hatschepsut ein Gewächshaus für Heilkräuter errichten.

Indien
Bereits vor 3000 Jahren hielten die Inder in den "vier grundlegenden Büchern der Wissenschaft" den sogenannten "Veden" die Regeln des Ayurveda fest. In diesen Schriften (erhalten sind nur die jüngeren Datums, nach Christus) werden unter anderem 3000 verschiedene Heilpflanzen aufgeführt.

Griechische Heillkunde
Die griechische Heillkunde wurde aus dem Wissen der alten Ägypter weiter entwickelt. Der griechische Arzt Hippokrates (um 460-375 v. Chr.) entwickelte im 5. Jahrundert v. Chr. die Vier- Elemente Lehre. Man teilte die Welt in vier Elemente: in Erde, Feuer, Luft und Wasser. So glaubte man auch, dass der menschliche Körper aus vier Elementen besteht: Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle. Dieses Wissen prägte die abendländische Medizin bis in die Neuzeit. Zur Harmonisierung der inneren Kräfte nutzte man Heilpflanzen mit ausgewählten Wirkstoffen. Hippokrates löste die Bindung der Medzinin an die Götter und an magische Kräfte. Sein Denkansatz war wissenschaftlich und systematisch.
Das erste geschlossene Werk über Pflanzen wurde von Theophrastos von Eresos (ca. 372 -322) erstellt.


Römer
Von Alexandria wanderte die griechische Heilkunde zu den Römern, bei denen ursprünglich nur die Priester im Besitz medizinischer Kenntnisse waren. Das von den Ägyptern über die Griechen weiter geleitete Wissen ging beim Zerfall des römischen Weltreiches zu großen Teilen verloren. Bewahrt wurden einige Informationen in europäischen Klöstern.

Araber und Perser
Auch die Araber und die Perser haben große Teile dieses Wissens aufgenommen und im Laufe der kommenden Jahrhunderte weiter entwickelt. Avicenna (980 - 1037), ein Pharmazeut, Arzt, Dichter und Philosoph verfasste in seinem Leben 200 Bücher und Abhandlungen unter anderem auch über die Heilkunde. Sein Hauptwerk blieb bis ins 17. Jahrhundert hinein ein wichtiger Einfluss für die westliche Heilkunde.

Klosterheilkunde
Im 8. Jahrhunder nach Christus begann die Klosterheilkunde. In dieser Zeit nahmen die Klöster bei der medizinischen Versorgung Europas eine wichtige Stellung ein. Sie hatten Teile des alten Wissens über die Jahrhunderte bewahrt und begannen ab dem 7. Jahrhundert medizinisches Wissen zu lehren. Klöster fungierten als Spital und als Apotheke. Dabei wurde die Heilkraft der Pflanzen mit einem religiösen Überbau versehen, Wissen für das Volk christianisiert oder dem Volk vorenthalten. Parallel dazu wurde das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen im Volk lange Zeit von sog. "weisen Frauen" weiter gereicht und angewandt. Sie fanden jedoch im Zuge der Christianisierung oft den Tod als "Hexe" im Feuer. Mit ihnen starb auch ihr Wissen. Die Phytotherapie musste in der Folgezeit neu entdeckt werden.

Die bekannteste Heilkundige des Mittelalters lebte im 11. Jahrhundert. Die deutsche Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) schrieb unter anderem zwei Werke, die für uns von besonderem Interesse sind: "Causae et Curae" (Ursachen und Heilungen) über die Entstehung und Behandlung von verschiedenen Krankheiten & "Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum" (Buch über das innere Wesen der verschiedenen Kreaturen und Pflanzen). Unter anderem widmete sie sich in diesen Abhandlungen den Kräutern und den Bäumen. Sie trug Informationen über Heilpflanzen zusammen, die sie aus der Volksmedizin und aus den Schriften der Klöster kannte. So werden u.a. Mittel beschrieben, die gegen Fieber, Herzkrankheiten und Rheuma benutzt werden können. Neu ist, dass sie nicht die lateinischen, sondern die volkstümlichen Namen verwendete und so die Verbindung zwischen Kloster- und Volksmedizin neu herstellte.

Akademische Medizin
Aus der Klosterheilkunde entstand im Mittelalter die akademische Medizin. Der Drogen und Gewürzhändler Constantin aus Nordafrika trat im 11. Jahrhundert in den Orden des Klosters Montecassino ein. In diesem Kloster befand sich ein Spital für Mitbrüder. Er, der unter anderem über medizinische Kenntnisse verfügte, übersetzte zahlreiche Texte aus dem Griechischen und Arabischen ins Lateinische, verfasste Schriften mit Steckbriefen zu Heilpflanzen. Ausgehend von diesen Tätigkeiten im Kloster Montecassino entwickelte sich eine neue systematische Literatur über Heilpflanzen sowie Universitäten, die später nicht nur von Klerikern sondern auch Laien besucht wurden.

Gegenwart
Heute werden weltweit etwa 3000 Heilpflanzen zur Produktion von Arzneimitteln gehandelt. 80 Prozent davon stammen aus Wildsammlung. Man nutzt für die Herstellung der Arzneistoffe verschiedene Teile der Pflanzen: die Wurzeln, die Blätter, die Blüten oder die Samen. Synthetisch hergestellte Stoffe sind in der heutigen Therapie jedoch die am weitesten verbreiteten Wirkstoffe. Auch gentechnisch hergestellte Arzneistoffe gewinnen an Bedeutung.
Die bekannteste direkte Nutzung der Heilfplanzen stellt in der Gegenwart der Tee-Aufguss dar. Außerdem findet man sie in Tabletten, Dragees, Tinkturen, Extrakten, Pulver, Granulaten, Kapseln oder Tropfen...